Demonstranten
In Georgien wird gegen das geplante Gesetz demonstriert.
.IMAGO/Yegikov Mikhail/ITAR-TASS

Ungeachtet massiver Proteste in der Hauptstadt Tiflis, aber auch in anderen Landesteilen hat das Parlament in Georgien am Dienstagnachmittag das umstrittene Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" verabschiedet. Die Abgeordneten in Tiflis billigten in dritter und finaler Lesung mit 84 Ja-Stimmen bei 30 Gegenstimmen das Vorhaben, wie in einer Live-Übertragung des georgischen Fernsehens zu sehen war. Vor der Abstimmung kam es wieder einmal zu tumultartigen Szenen im Parlament. Oppositionelle Abgeordnete hingen die EU-Fahne und die georgische Fahne aus dem Fenster des Parlaments. Nun dürfte jedenfalls das Veto der von der Regierungspartei Georgischer Traum nominierten, mittlerweile aber äußerst regierungskritischen Präsidentin Salome Surabischwili folgen, welches anschließend erneut mit der Parlamentsmehrheit überstimmt werden dürfte. Dann ist das Gesetz endgültig verabschiedet.

Die Regierungsmehrheit begründet das Gesetz damit, dass Transparenz über ausländische Finanzhilfen für Nichtregierungsorganisationen herrschen müsse. Tatsächlich ähnelt das von Protestierenden wechselweise als "russisches Gesetz" oder "Gesetz des Verrats" bezeichnete Gesetz in Diktion und Vorhaben jenem in Moskau verabschiedeten Gesetz, das seit 2012 die dortige außerparlamentarische Opposition und Nichtregierungsorganisationen drangsaliert und Regimekritiker hinter Gitter bringt. Auch in Georgien sollen NGOs, die mehr als 20 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ausland erhalten, diese Geldflüsse künftig offenlegen und damit angeben, "im Interesse einer ausländischen Macht" zu agieren. Geschieht dies nicht, drohen Strafen um die 8700 Euro.

Die zahlreichen Kritiker des Gesetzes sehen darin nicht die von der Regierung propagierte Transparenz, sondern einen Vorwand, um kritische Stimmen und Medien mundtot zu machen und als "ausländische Agenten" in Haft zu bringen. Der Kreml erklärte am Dienstag in typischer Kreml-Manier, dass sich "äußere Mächte" in die Angelegenheiten Georgiens einmischen würden, obwohl die Führung in Tiflis versuche, dies zu verhindern. Die Regierung Georgiens galt vor allem zuletzt als äußerst Moskau-treu. Sie verbreitete Propaganda im Sinne Moskaus, wonach jedwede weitere Annäherung des Landes an den Westen den Zorn Russlands auf sich ziehen werde. Immer wurde die Parallele mit der Ukraine gezogen und die russische Erzählung verbreitet, dass erst der Westen Russland den Vorwand zum Einmarsch in die Ukraine lieferte.

Protest seit April

Seit Anfang April ging die georgische Bevölkerung regelmäßig auf die Straßen gegen das Gesetz. Der friedliche Protest versuchte erwartbarerweise vergeblich die Mehrheit der Abgeordneten in letzter Sekunde doch noch davon zu überzeugen, das Gesetz fallenzulassen und den Weg in Richtung EU-Mitgliedschaft durch das Gesetz nicht fahrlässig zu torpedieren. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Antiregierungsstimmung bis in den Herbst anhalten könnte, wo Wahlen anstehen. Surabischwili rief bereits vor Tagen dazu auf, das Gesetz dann durch eine neugewählte Regierung wieder zu beseitigen.

Am Tag zuvor hatte die Polizei die Menschenmenge mit Gewalt von dem Gebäude im Zentrum abgedrängt. Es gab nach Polizeiangaben etwa 20 Festnahmen. Mehrere Festgenommene wurden nach Angaben der Opposition misshandelt.

Die Polizei soll teilweise sehr hart gegen Demonstranten vorgegangen sein.
AFP/GIORGI ARJEVANIDZE

EU-Warnungen

Vor der finalen Lesung am Dienstag hatten sich auch zwölf Außenminister der Europäischen Union sehr besorgt gezeigt. In einem gemeinsamen Brief an den EU-Chefdiplomaten Josep Borrell und den EU-Kommissar Olivér Várhelyi wird Borrell gebeten, umgehend mündlich über die Auswirkungen des vorgeschlagenen Gesetzes auf den EU-Beitrittsprozess zu informieren. Der Brief war von den Außenministern von Tschechien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Polen und Schweden unterzeichnet.

Video: Zehntausende demonstrieren gegen Gesetz zu "ausländischer Einflussnahme."
AFP

Unvereinbar mit Werten der EU

Nachdem die Staats- und Regierungschefs der EU im vergangenen Jahr Georgien den Status eines Beitrittskandidaten gewährt hatten, scheine die georgische Regierung die Chance zu gefährden, die europäische und euroatlantische Integration des Landes voranzutreiben, schrieben die Minister. Das Gesetz sei mit den Fortschritten Georgiens auf seinem Weg in die EU unvereinbar. "Dieses vorgeschlagene Gesetz ist ein weiteres Anzeichen für einen besorgniserregenden Rückschritt in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte in Georgien."

Schon am Montag hatte Borrell schriftlich klargemacht, dass das Gesetz nicht mit den Werten und Überzeugungen der Union vereinbar sei und die Errungenschaften im Bereich der Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien unterminieren würde. Zudem wurde klargestellt, dass der Status des Beitrittskandidaten nur unter gewissen Bedingungen vergeben wurde, die zu erfüllen seien. Die Verabschiedung des Gesetzes würde Georgiens Weg in die EU in mehreren Punkten "negativ beeinflussen", so Borrell.

Aus dem Außenministerium in Wien kamen ähnliche Worte. Die Sorge über die Gewalt gegen friedliche Demonstrierende habe man wiederholt klar und deutlich geäußert. Das angekündigte Veto der georgischen Präsidentin biete der Regierung aber die Gelegenheit, das Vorhaben nochmals zu überdenken und die in Ausarbeitung befindliche Rechtsmeinung der Venedig-Kommission des Europarats zu berücksichtigen. Dass es tatsächlich überdacht wird, gilt als unwahrscheinlich. (Fabian Sommavilla, APA, 14.5.2024)